Die Apotheke des Uniklinikums Erlangen produziert nicht nur in Zeiten von Lieferschwierigkeiten selbst Medikamente – auch spezielle, teils patientenindividuelle Zubereitungen wie Schmerzmittel, Immuntherapien und Ernährungsbeutel für Frühchen sind Teil des Tagesgeschäfts. Ein Besuch.

Die Patientinnen und Patienten des Uniklinikums Erlangen werden während ihres Aufenthalts von der hauseigenen Apotheke mit Medikamenten versorgt. Doch nicht immer sind die notwendigen Arzneien im Handel erhältlich: entweder, weil die verfügbare Wirkstoffdosis nicht passt, Präparate aktuell nicht lieferbar sind oder weil die Medizin individuell zusammengestellt werden muss. Deshalb produziert die Apotheke in der Palmsanlage z. B. Salben, Kapseln, Fiebersäfte und Chemotherapie sowie Ernährungsbeutel für die intravenöse Anwendung selbst. Die Redaktion von „Gesundheit erlangen“ war einen Vormittag lang vor Ort.

Heute läuft die Produktion der blutungsstillenden Tranexamsäure in 100-Milliliter-Glasflaschen. Die zuständige PTA hat bereits die benötigten Ingredienzien in den Vorbereitungsraum geschleust und sich reinraumkonform eingekleidet: mit Haube und Mundschutz, weißem Kittel und Handschuhen. „Als Nächstes wiegt die PTA gemäß dem Herstellungsprotokoll, also dem Rezept, alle Bestandteile ab“, erläutert Dr. Seemann. Ihre Kollegin gibt die Inhaltsstoffe in einen 100-Liter-Ansatzkessel aus Edelstahl. „Unsere Grundzutat ist Wasser für Injektionszwecke, das wir aus vollentsalztem Wasser durch Destillation noch weiter aufreinigen“, sagt Ilona Seemann und deutet auf eine Rohrleitung, die von der Aufbereitungsanlage nebenan durch die Wand bis zum Kesselanschluss führt. Dort werden die Substanzen verrührt, ein Fühler überprüft dabei u. a. die Temperatur. Die Apothekerin nimmt eine kleine Probe des Ansatzes heraus und ermittelt u. a. Dichte und pH-Wert. „In-Prozess-Kontrollen sind bei der Arzneimittelherstellung sehr wichtig. Erst wenn die Freigabe von einer Apothekerin oder einem Apotheker erteilt ist, darf das Präparat abgefüllt werden.“

Automatische Abfüllstation

Ein paar Schritte weiter wartet schon die automatische Abfüllstraße, wo frisch gespülte Fläschchen auf einem Band zunächst mit Stickstoff befüllt werden. „Er verdrängt den Sauerstoff aus dem Gefäß, der den Abbau bestimmter Substanzen fördern würde“, erklärt Ilona Seemann. Eine drehkreuzartige Scheibe befördert die Flasche unter die Abfüllnadel, durch die die Tranexamsäurelösung aus dem Kessel in das Gefäß gelangt. Eine Drehung weiter presst die Anlage einen Stopfen auf die Flasche, der erst angedrückt wird und danach eine Kappe übergestülpt bekommt. Schließlich biegt die Maschine diese um den Flaschenhals, um den Inhalt luftdicht zu verschließen, und das Gefäß fährt über ein Förderband auf einen Drehteller. Die PTA lädt nun einen Metallwagen mit Fläschchen voll und schiebt ihn in den Autoklaven, der den Blutungsstiller schließlich 20 Minuten bei 121 Grad mit einem Wasser-Dampf-Gemisch sterilisiert.

Unabhängig dank Eigenherstellung

Etwa 1.200 Anforderungen für Individualrezepturen – etwa für Antiepileptika, Blutdrucksenker oder Schmerzmittel – erhält Martin Baiers Team pro Jahr aus dem gesamten Uniklinikum. „Neben den Einzelherstellungen der Rezeptur produzieren wir aber auch größere Mengen als Defektur im Voraus, zum Beispiel Mundspüllösungen für Menschen, die wegen ihrer Krebstherapie unter Mundschleimhautentzündungen leiden“, erläutert der Apotheker. „Vergleichbare Lösungen wären im Handel viel teurer.“ Etwa 250 Chargen nicht-steriler Cremes, Kapseln, Suspensionen und mehr stellen er und sein Team jährlich her. Während der Coronapandemie wurden zusätzlich noch ca. 21.000 Flaschen Desinfektionsmittel hergestellt und abgefüllt, da nahezu nichts mehr auf dem freien Markt verfügbar war. „Lieferschwierigkeiten können wir grundsätzlich gut abpuffern, sofern die benötigten Zutaten noch erhältlich sind. So haben wir zeitweise auch Ibuprofen- und Paracetamolsäfte selbst produziert. Bis vor Kurzem war außerdem das Antibiotikum Amoxicillin schwer lieferbar. Auch das konnten wir kurzfristig selbst herstellen“, berichtet Martin Baier.

Manuelle Prüfung

Wieder in weißer Bereichs- statt in Reinraumkleidung holt die PTA die endsterilisierten Flaschen auf der anderen Seite wieder heraus. Nach dem Abkühlen folgt die Sichtprüfung jedes einzelnen Gefäßes auf eventuelle Partikel. Dazu dunkelt die PTA den Raum ab und zieht den schwarzen Vorhang um den Arbeitsplatz zu. Sie greift zum ersten Gefäß mit Tranexamsäure, stellt es auf den Kopf und schaut es durch das beleuchtete Vergrößerungsglas hindurch genau an. „Wäre hier auch nur ein einziger Partikel sichtbar, müsste die Flasche verworfen werden, weil sie unseren Qualitätsansprüchen nicht genügt. Hier passt aber alles“, gibt Ilona Seemann grünes Licht.

In der Abteilung nebenan arbeitet unterdessen Martin Baier, Leiter der nicht-sterilen Herstellung. „Wir produzieren hier beispielsweise speziell zusammengesetzte Cremes und Salben für die Hautklinik, Fiebersäfte für Kinder und Kapseln für verschiedene Einrichtungen“, zählt der Apotheker auf. „Am häufigsten bekommen wir Anforderungen von der Kinder- und Jugendklinik.“

Markus Brix, Pharmazeut im Praktikum, bereitet für die Einrichtung heute zwei Flaschen Flecainid zu – ein Mittel gegen Herzrhythmusstörungen. Da die im Handel erhältlichen Tabletten für Kinder viel zu hoch dosiert sind und diese sie obendrein nur schwer schlucken können, zerstößt der angehende Apotheker zunächst die auf dem Herstellungsprotokoll vermerkte Menge des Wirkstoffs mithilfe eines Mörsers. Langsam gibt er nun portionsweise das Suspensionsmittel hinzu und vermengt es immer wieder gleichmäßig mit dem Pulver. Ein sanfter Kirschgeruch liegt in der Luft, als Markus Brix schließlich die benötigte Menge der süßen Flüssigkeit aufgefüllt hat. Mit einem Kunststoffspatel schabt er säuberlich die weißliche, puddingartige Arznei aus der Schale, um sie in zwei braune Glasfläschchen zugeben und mit einem Schraubdeckel zu verschließen. „Jetzt kontrolliere ich, ob die Angaben auf dem Etikett mit der Vorgabe übereinstimmen und ob die Konsistenz stimmt“, sagt Herstellungsleiter Martin Baier. Er nimmt die Flaschen zur Hand und unterschreibt das Herstellungsprotokoll. „Die Suspension entspricht den Vorgaben und kann so an die Station geliefert werden.“

Unabhängig dank Eigenherstellung

Etwa 1.200 Anforderungen für Individualrezepturen – etwa für Antiepileptika, Blutdrucksenker oder Schmerzmittel – erhält Martin Baiers Team pro Jahr aus dem gesamten Uniklinikum. „Neben den Einzelherstellungen der Rezeptur produzieren wir aber auch größere Mengen als Defektur im Voraus, zum Beispiel Mundspüllösungen für Menschen, die wegen ihrer Krebstherapie unter Mundschleimhautentzündungen leiden“, erläutert der Apotheker. „Vergleichbare Lösungen wären im Handel viel teurer.“ Etwa 250 Chargen nicht-steriler Cremes, Kapseln, Suspensionen und mehr stellen er und sein Team jährlich her. Während der Coronapandemie wurden zusätzlich noch ca. 21.000 Flaschen Desinfektionsmittel hergestellt und abgefüllt, da nahezu nichts mehr auf dem freien Markt verfügbar war. „Lieferschwierigkeiten können wir grundsätzlich gut abpuffern, sofern die benötigten Zutaten noch erhältlich sind. So haben wir zeitweise auch Ibuprofen- und Paracetamolsäfte selbst produziert. Bis vor Kurzem war außerdem das Antibiotikum Amoxicillin schwer lieferbar. Auch das konnten wir kurzfristig selbst herstellen“, berichtet Martin Baier.

Aseptische Zubereitung

Im obersten Stockwerk der Apotheke angekommen, erläutert PTA Julia Rahn, dass die Zubereitungen im aseptischen Bereich in der höchsten Reinraumklasse erfolgen. Deshalb tragen die Kolleginnen und Kollegen dort neben Mundschutz, zwei Paar Handschuhen und Reinraumzwischenbekleidung einen speziellen, an die Raumfahrt erinnernden Ganzkörperanzug, sodass nur noch die Augenpartie sichtbar ist. „Wir arbeiten immer in Zweierteams: Eine Person reicht an, die andere stellt her. So ist außerdem das Vier-Augen-Prinzip gewährleistet. Damit garantieren wir, dass jede Komponente in der richtigen Dosis zugegeben wurde und das Produkt mit der Anforderung übereinstimmt“, sagt Julia Rahn und deutet durch die Scheibe des Aseptischen Zubereitungszentrums (AZZ). Auf der anderen Seite stellen die zwei PTAs gleich ein Antikörpermedikament gegen die Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes her. „Auch hier gelangen die Ausgangsstoffe zuerst über eine Schleuse ins AZZ, ebenso wie das Personal.“

Julia Rahn deutet auf die blauen Schütten, in denen bereits die benötigten Fertigarzneimittel liegen. Die zureichende PTA stellt nun der herstellenden Kollegin an der Werkbank Glasfläschchen, Spritzen und einen mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllten Kunststoffbeutel auf der Arbeitsfläche an der Werkbank bereit. Ihre Kollegin greift das Fläschchen und sticht mit einem sogenannten Spike durch den Deckel. „Das ist ein Entnahmesystem, das den Druck in der Flasche ausgleicht, wenn die Flüssigkeit entnommen wird – das gleiche Prinzip wie beim Trinken aus einer Glasflasche: Da muss man auch immer wieder Luft reinlassen“, erläutert Julia Rahn.

Auf den Spike dreht die PTA eine Spritze, sie kippt das Fläschchen auf den Kopf und zieht das benötigte Volumen auf. Anschließend schraubt sie die Spritze vom Spike, klopft mit dem Finger Luftbläschen heraus und zeigt ihrer Kollegin die Menge der Flüssigkeit. Beide schauen zuerst auf die Spritze, dann auf das Herstellungsprotokoll, die zureichende PTA nickt. „Alles in Ordnung. Jetzt gibt sie den Wirkstoff in den Beutel mit der Trägerflüssigkeit, in dem Fall Kochsalzlösung“, kommentiert Julia Rahn die Geschehnisse hinter der Scheibe. „Am Ende kontrolliert das Zweierteam noch mal, ob alle Bestandteile der Rezeptur hinzugegeben wurden und das Etikett mit der Anforderung übereinstimmt. Schließlich wird das Produkt noch verschweißt, damit es sicher zur Patientin oder zum Patienten gelangt“, sagt Julia Rahn.

Video: Wie arbeiten PTAs in der Apotheke des Uniklinikums Erlangen?

Text: Alessa Sailer/Uniklinikum Erlangen; Fotos: Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen, Alessa Sailer/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Herbst 2023